Verein NEUSTART informiert:
Neue Wege zur Aufarbeitung von Straftaten: Der Opfer-Täter-Dialog als Modellversuch in Kärnten
Der Verein NEUSTART erprobt gemeinsam mit der Justiz eine neue Form der Konfliktlösung: den Opfer-Täter-Dialog. Dieses freiwillige und professionell begleitete Gespräch ermöglicht es Betroffenen, die persönlichen Folgen einer Straftat zu klären und Wiedergutmachung zu leisten.
Nach einem Gerichtsurteil haben häufig sowohl Opfer als auch Täter Schwierigkeiten, die persönlichen Folgen einer Straftat aufzuarbeiten. Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, erprobt der Verein NEUSTART in enger Zusammenarbeit mit der Justiz eine neue Form des Tatausgleichs – den Opfer-Täter-Dialog. Der Modellversuch findet in den Landesgerichtssprengeln Wien, Kärnten, Salzburg und Tirol statt.
Im Unterschied zu anderen Programmen wie dem Tatausgleich kann der Opfer-Täter-Dialog auch dann genutzt werden, wenn bereits ein Strafverfahren läuft oder ein Urteil gefällt wurde. So erhalten die Beteiligten eine zusätzliche Gelegenheit, offene Fragen zu klären und die Tat auf persönlicher Ebene zu verarbeiten.
Vorteile für Opfer und Täter
Projektleiter Bernd Glaeser erklärt: „Viele Opfer leiden lange unter den Folgen einer Straftat. Ein Gerichtsverfahren bringt zwar eine rechtliche Klärung, hilft aber nicht immer dabei, das Geschehene emotional zu verarbeiten.“ Der Opfer-Täter-Dialog gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Fragen zu stellen, Antworten zu bekommen und eine Wiedergutmachung zu besprechen. Bei Bedarf vermitteln die Moderator:innen den Opfern weitere Unterstützung.
Auch für Täter kann der Dialog hilfreich sein. Sie setzen sich intensiv mit ihrem Fehlverhalten auseinander, können sich entschuldigen und aktiv Verantwortung übernehmen. Studien zeigen, dass dies ihre Chancen auf ein straffreies Leben erhöht. Gerichte können eine erfolgreiche Wiedergutmachung zudem als mildernden Umstand berücksichtigen.
Wann kommt der Opfer-Täter-Dialog zum Einsatz?
Der Dialog wird genutzt, wenn eine Diversion (alternative Konfliktlösung ohne Verurteilung) nicht möglich ist – etwa, weil die beschuldigte Person vorbestraft ist oder die Tat eine schwere Straftat darstellt. Auch nach einer Verurteilung kann das Angebot in Anspruch genommen werden, falls es zwischen Opfer und Täter noch Klärungsbedarf gibt.
Dieses Projekt folgt dem Prinzip der „Restorative Justice“ (wiedergutmachende Gerechtigkeit). Dabei geht es nicht nur um Strafe, sondern auch darum, dass die Beteiligten aktiv in den Klärungsprozess einbezogen werden. Internationale Organisationen wie die UNO und der Europarat empfehlen, solche Programme in nationale Justizsysteme zu integrieren.
Der Opfer-Täter-Dialog ist ein wichtiger Schritt für Österreich in diese Richtung. Das Modellprojekt läuft bis Ende 2026 und wird wissenschaftlich begleitet, um seine Wirkung zu analysieren und möglicherweise dauerhaft in das Justizsystem zu übernehmen.
Zum Verein NEUSTART
Seit 1957 arbeitet NEUSTART in den Bereichen Straffälligenhilfe (Bewährungshilfe, Haftentlassenenhilfe), Opferhilfe und Prävention. NEUSTART ist im Auftrag der Justiz tätig, verantwortet die Sozialarbeit im Zuge des elektronisch überwachten Hausarrests (Fußfessel) und bietet Tatausgleich und die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen im Zuge der Diversion an.
In fünf Bundesländern führt NEUSTART Gewaltpräventionsberatung im Auftrag des Innenministeriums durch. Der Verein bietet Einzelnen und der Gesellschaft Hilfen und Lösungen zur Bewältigung von Konflikten und zum Schutz vor Kriminalität an. NEUSTART beschäftigt rund 750 haupt- und 900 ehrenamtliche Mitarbeiter. Damit ist NEUSTART eine der größten Non-Profit-Organisationen in Österreich.
Online: 13.03.2025 - 13:52