Teil 4: Der Oster-Land-Krimi aus Sittersdorf
Buchenholz, Bio und ein letzter Fehler
Diese Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Ostermontag.
Der Nebel hing schwer über dem Jauntal.
Das letzte Osterfeuer war verglimmt, die Körbe wieder leer, der Reindling zu trocken zum Weiteressen. Nur bei der Polizei brannte noch etwas – ein Gefühl, das zwischen G’selchtem, Schuld und Zirbenschnaps zurückgeblieben war.
„I kann mi kaum erinnern, wie i gestern überhaupt heimkommen bin“, grummelte Gendarm Leitner, den Blick noch vernebelt vom Feuer.
Kriminalinspektorin Wutte stand mit einem lauwarmen Kaffee an der offenen Tür der Sölch.
„Aber irgendwas… irgendwas fehlt noch“, sagte sie.
Also gingen sie ein letztes Mal hinein.
Der Fund
Die Räucherkammer war wie erstarrt. Der Rauch hatte sich verzogen, aber der Schatten lag noch darin.
Zwischen Sägemehl und Schinkendunst, zwischen Buchenholz und Fettflecken lag etwas.
Klein. Blass. Viereckig.
Tofu.
„Das gehört hier net her“, murmelte Wutte.
„Außer… jemand hat ihn genau hierhergebracht.“
Beide sahen sich an.
„Der einzige Tofuesser im ganzen Tal? Der Sohn.“
Letzte Konfrontation
Matthias Tschernig war gerade dabei, seinen Rucksack zu packen. Der Bus nach Graz würde in 40 Minuten abfahren.
Er hatte genug. Von Aluschalen, Fragen und Dorfkommentaren.
Da standen plötzlich Wutte und Leitner in der Tür.
„Nur a schnelle Frage“, sagte Wutte ruhig.
„Wie kommt ein Stück Tofu in die Sölch von deinem Vota?“
Matthias wurde bleich.
Er öffnete den Mund. Schluckte. Sah weg.
Dann sprach er.
Die Auflösung
„Ich wollte zurückkommen“, begann er.
„Den Hof übernehmen. Aber anders.
Bio. Vegan. Nachhaltig. Ohne Fleisch. Aber mit allem, was mein Vater mir beigebracht hat. Ich hab gehofft, dass wir reden können.“
Er und sein Vater hatten sich am Abend vor dem Palmsonntag in der Sölch getroffen.
Sie hatten eine Flasche Walcherholder aufgemacht.
Gelacht. Getrunken. Geatmet.
Dann hatte Matthias es gesagt.
Seinen Plan. Seine Hoffnung.
Ein veganer Osterschinken – geräuchert nach altem Familienrezept, aber ohne Fleisch.
Sein Vater hatte laut gelacht.
„Du bist a Tofu-Trottel! Net in meiner Sölch!“, hatte er geschrien.
Matthias hatte ihm den Tofu gezeigt. Ein kleines Stück, gewürzt, bereit zum Räuchern.
Hans Tschernig schlug es ihm aus der Hand.
Er fluchte, stapfte durch die Sölch –
trat auf eine Speckschwarte,
rutschte aus, flog über ein Buchenholzstück
und schlug mit dem Hinterkopf auf dem Steinboden auf.
Genickbruch. Sofort tot.
Matthias stand da.
Schock. Alkohol. Angst.
Er ritzte den letzten Satz seines Vaters in die verrußte Wand:
„Nur einer kriegt den Platz im Rauch – und net jeder G’selchte is ehrlich.“
Dann floh er.
Der letzte Fehler
Beim Packen für die Rückreise griff Matthias versehentlich nach dem alten Fleischermantel seines Vaters.
Noch voll mit Rauch.
Und Schuld.
Aber der entscheidende Hinweis war der Tofu in der Sölch.
Die letzte Spur. Das letzte Stück Wahrheit.
Nachspiel
Matthias Tschernig wird sich wegen unterlassener Hilfeleistung und Flucht vom Unfallort verantworten müssen.
Mord? War es keiner. Aber ein tragischer Bruch – zwischen Generationen, Erwartungen und Räuchertradition.
Hans Tschernig wird am Hang hinter dem Hof beigesetzt – mit Blick auf seine Sölch.
Am Grabstein steht:
„Da echte G’selchte kommt von Herzen – und a bissl Buchenrauch.“
Rosa Tschernig begibt sich in den wohlverdienten Ruhestand.
Sie schließt den Hof, stellt die Selch still – und baut fortan nur noch Gemüse für sich und den Wochenmarkt in Globasnitz an.
Sie hat ihren Frieden gefunden.
Leitner schwört, nie wieder Schnaps aus einen Flasche ohne Etikette zu trinken.
Wutte notiert trocken:
„Ostern in Kärnten – nächstes Jahr Urlaub in Poreč.“
Epilog
Nach seiner Strafe kehrt Matthias Tschernig nicht nach Sittersdorf zurück.
Stattdessen eröffnet er in Graz einen kleinen, hippen Laden namens:
„Sölch & Seele“
Dort verkauft er vegetarisch geräucherten Schinken – gewürzt nach dem alten Rezept seines Vaters, nur eben fleischlos. Wacholder, Pfeffer, Buchenrauch – alles da, nur anders.
Der Laden wird zum Geheimtipp.
Dann zum Kult.
Dann zum Medienereignis.
Heute sagt man in Graz:
„Das mit dem Tofu in der Sölch? Das war der Anfang von allem.“
Online: 21.04.2025 - 09:10
Edit: 21.04.2025 - 09:18