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Er wählte zwischen Leben und Tod – eine Hinterbliebene erzählt

Der Freitod, Selbstmord oder im Fachjargon Suizid genannt, ist ein Akt der Selbstbestimmung. In Österreich sterben im Jahr im Schnitt 1.250 Menschen daran. Die Dunkelziffer – diejenigen denen diese Art von Selbsttötung misslingt – ist noch höher. Doch über die Hinterbliebenen wird selten gesprochen. Wir haben uns mit einer Betroffenen unterhalten, wie sie mit dem…

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Der Freitod, Selbstmord oder im Fachjargon Suizid genannt, ist ein Akt der Selbstbestimmung. In Österreich sterben im Jahr im Schnitt 1.250 Menschen daran. Die Dunkelziffer – diejenigen denen diese Art von Selbsttötung misslingt – ist noch höher. Doch über die Hinterbliebenen wird selten gesprochen. Wir haben uns mit einer Betroffenen unterhalten, wie sie mit dem Verlust lebt.

Maria sitzt auf ihrer Couch. Im gläsernen Wohnzimmerschrank stehen Bilder, Kerzen und kleine hockende Engel mit betenden Händen. Mit tränenden Augen, jedoch voller Kraft, beginnt sie über den Freitod ihres Bruders zu erzählen. Er wählte ihn vor knapp fünf Jahren. Er entschied sich für den Tod und gegen das Leben.

„Ich weiß, er passt auf uns auf“ ©leyrca

Es war ein Tag im November, voller dichtem Nebel, trüb und trostlos. Genau das dachte ich mir, als ich in der früh aus dem Fenster schaute. Mir wäre im Traum nie eingefallen, dass so ein hässlicher Tag noch schlimmer werden könnte, als ein einziger Anruf meine Welt in Schutt und Asche legte.

Das Gespräch war kurz und bündig. Die Frage nach dem Warum kam erst einige Zeit später und diese bleibt bis heute. Sie haben meinen Bruder leblos in seinem Zimmer aufgefunden. Er hat sich mit einer Waffe umgebracht. Ob mir jemals aufgefallen wäre, dass etwas mit ihm nicht stimmen würde? – Nur beiläufig. Wir scherzten in jugendlichen Jahren oft über den Tod, dass er uns nichts anhaben könnte, wir seien nämlich unsterbliche Superhelden…

Sag wohin du gehst… bis zum Schluss

Mein Bruder hinterließ einen Abschiedsbrief. Unsere Mutter sagte als wir Kinder waren immer zu uns, wir sollen wenigstens sagen, wohin wir gehen, wenn wir das Haus verlassen. Das nahm er ernst, bis zum Schluss. Erst beim Lesen der etlichen, gut überlegten Zeilen realisierte ich, wie es in ihm ausgeschaut hatte. Die Verzweiflung die in ihm schlummerte, wurde von Wort zu Wort immer deutlicher. Ein verschwommenes „Pfiat Gott meine Leit“ beendete diesen Brief.

Wie es ihr nach all den Jahren geht, kann sie kaum beschreiben. Sie müsse natürlich weiter leben, sagte sie. Anfangs war es unerträglich für sie, den Leuten, die in dem gleichen Ort wohnen, zuzuhören, wie sie hinter ihrem Rücken tuschelten. Die Blicke und die schüttelnden Köpfe. Ob heute, fünf Jahre später, noch wer daran denkt, weiß sie nicht. „Meine Familie und ich tun es, täglich. Wir sind daran zerbrochen und unser Leben ist nicht mehr wie früher. Aber ich bin mir sicher, dass mein Bruder als Engel über uns wacht“, flüstert Maria. Ihre Familie ist ein großes Stück weit zusammengerückt. Nur dieser Zusammenhalt half ihnen die Geschehnisse zu verarbeiten. Was zurück bleibt sind Erinnerungen.

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  • Online: 10.09.2019 - 13:30

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